Als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zu dem Mann: „Mein Freund, deine Sünden sind dir vergeben!“ Lukas 5,20
In der Bibel lesen wir die spannende Geschichte eines Mannes, der seit vielen Jahren gelähmt ist und hört, dass Jesus in seiner Gegend ist. Er bittet seine Freunde, ihn zu diesem Jesus zu bringen. Dies tun sie und das Haus, in dem Jesus predigt, voll mit Menschen ist, decken seine Freunde das Dach ab und lassen den Gelähmten zu den Füssen von Jesus hinunter. Jesus sieht den Kranken, doch bevor er ihn heilt, vergibt er ihm seine Sünden. Bevor er dem Mann seine Gehkraft zurückgibt, nimmt er ihm seine Scham weg. Er vergibt ihm seine Sünden. Denn Jesus weiss, diesen Mann „nur“ zu heilen, wird ihn nicht weiterbringen. Denn ein Mann, der während langer Zeit nicht gehen konnte, kämpft mit viel Scham, Anklage, Minderwert und Selbstanklage. Ich kann mir gut vorstellen, wie während all der Zeit, in der er auf dem Boden herumlag, lahm, nicht fähig, zu gehen, nicht fähig, etwas anzupacken, nicht fähig, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, Stimmen zu ihm sagten: „Du bist ein Versager! Schau, wie du hier als Kranker auf dem Boden herumliegst. Du bist ein Nichts. Du kannst nichts und wirst es nie zu etwas bringen. Du bist selber schuld, du bist krank, weil du ein Sünder bist!“
All diese Lügen, all diese Scham, all diese Anklagen setzten sich in seinem Herzen fest und als Jesus ihm seine Sünden vergibt, sagt er zu ihm quasi:
„Von jetzt an musst du aufhören, dich selber anzuklagen. Ich habe dir alles vergeben. Jegliche Fehler, Sünden, Scham und jeglichen Minderwert. Du bist frei. Und wenn ich dich jetzt dann heile, dann mach etwas aus deinem Leben und gib den anklagenden Stimmen keinen Raum mehr in deinem Herzen und deinen Gedanken.“
Jeden Tag von Neuem sagt Jesus dasselbe auch zu dir und zu mir. Er möchte, dass wir erkennen, dass uns unsere Sünden vergeben sind, dass er für all unsere Fehler bezahlt hat. Jesus vergibt uns all unsere vergangenen, gegenwärtigen und sogar zukünftigen Fehler. Seine Gnade und seine Liebe zu uns sind grösser und stärker als unsere Scham, unser Versagen, unsere Sünde und unser Fehlverhalten. Und weil Jesus uns vergeben hat, dürfen und sollten wir lernen, uns selbst auch immer wieder zu vergeben.
Vor Jahren hatte ich die Gelegenheit, einen geschiedenen Mann zu begleiten. Er hatte seine Ehe in den Sand gesetzt und dann, ein paar Jahre später, verliebte er sich wieder. Er war kurz davor, wieder zu heiraten. Doch er schaffte es einfach nicht, diesen Schritt auf die Frau zuzumachen. Er hatte Angst vor dem Versagen. Er hatte Angst, es wieder nicht zu schaffen. Er hatte so gesehen auch Angst vor dem neuen Segen, den Gott für ihn bereit hielt. Wir besuchten zusammen einen Gottesdienst und nach der Predigt sagte er mir unter Tränen: „Könu, Gott hat zu mir gesprochen. Ich muss vergeben!“ Ich antwortete: „Super, wenn dich deine ehemalige Frau verletzt hat, dann musst du ihr unbedingt vergeben.“ Doch er sagte: „Nein, nicht meiner ehemaligen Frau, das habe ich schon lange getan, sondern mir selber. Ich habe so viel falsch gemacht und habe jetzt realisiert, dass ich mir vergeben muss. Es war, wie Gott sagte: Dir ist vergeben, jetzt vergib dir selber auch.“
Schau, ich sage nicht, dass wir einfach leichtsinnig durchs Leben gehen sollen, Menschen verletzen, Menschen nicht achten, Menschen missbrauchen und dann einfach sagen: „Easy, ist ja keine grosse Sache, Gott hat mir vergeben.“ Wenn wir einen Fehler machen, sollen wir dafür gerade stehen, die Person um Vergebung bitten, die Sache ins Reine bringen und es ein nächstes Mal versuchen besser zu machen. Aber wir müssen auch lernen, nicht in der Selbstanklage stehen zu bleiben. Sondern wie der gelähmte Mann aufzustehen und etwas aus unserem Leben zu machen. Wir sollen uns selber vergeben, weil uns vergeben ist.
„Herr, wo sonst gibt es einen Gott wie dich? Allen, die von deinem Volk übrig geblieben sind, vergibst du ihre Schuld und gehst über ihre Verfehlungen hinweg. Du hältst nicht für immer an deinem Zorn fest; denn Güte und Liebe zu erweisen macht dir Freude. Du wirst mit uns Erbarmen haben und alle unsere Schuld wegschaffen; du wirst sie in das Meer werfen, dort, wo es am tiefsten ist.“ Micha 7,18-19